MAM gönnt sich ja sonst nix (# 7762) lüfterlose 10G Desktoprouter/switche

Begonnen von Mam, November 08, 2021, 07:52:51

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Mam

Da sind sie nun endlich, 10G Router/Switche die sowohl recht kostengünstig sind (je nach Portanzahl zwischen 150 und 500€, NACKT!), als auch ohne Lüfter auskommen, also gut auf den Schreibtisch passen.



Wie man sieht, hat das Teil nur SFP+ Ports, so dass man noch für jeden Anschluss extra ein Modul kaufen muss. Das Bild zeigt 4 10Gbe Kupfermodule, es gibt auch viele diverse LWL Module, auch 1Gbe Kupfer ist noch erhältlich.

Fest eingebaut ist einzig das "Boot/Admin" 1Gbe Port. Vom Namen sollte man sich aber nicht abschrecken lassen, es ist voll benutzbar und kann mit den anderen verbunden werden. Ausserdem kann es zur Stromversorgung herangezogen werden, über POE kann der Switch voll versorgt werden.
Es liegt aber auch ein 24V Steckernetzteil bei. Mit der Spannung nimmt es die Kiste aber nicht so genau. Zwischen 12V und 57V ist alles erlaubt, so dass die normale 48V POE Spannung klaglos akzeptiert wird (bei 12V wäre die Leistung über POE zu gering, 24 müssen es da schon sein damit das Kabel nicht glüht).

Warum schimpft sich das Dingen "Cloud Router Switch" ?
Nun, weil es mit 2 unterschiedlichen Betriebssystemen kommt, die kann man per Weboberfläche auswählen.

"SwOs" ist einfach gehalten, es bietet nur die üblichen Fähigkeiten eines Layer 2 Switches. Also VLAN, Port Trunking,  usw. Wenig einzustellen, bootet innerhalb von wenigen Sekunden (<10)

"RouterOs" ist das Gegenteil, hier haben wir ein volles Ubuntu mit allen Layer 3 Features wie Routing für V4 und V6, Firewall, WLAN, LTE und 5G Gateways, VPN, Internet Aggragation, usw, usw.
Da wird man schnell überfordert, und viele Punkte sind nur bei bestimmten Modulen einsatzfähig. Außerdem nimmt er sich da auch schon mal gerne 2 Minuten zum Booten... bis auf ein paar Piepser ab und zu ist dabei GLAUBEN angesagt.

Ich lass das mal hier aussenvor, aber so kurz gesagt: wer meint, eine Fritzbox wäre ein Router mit vielen Features wird bei diesem Teil mit offenem Mund darstehen. Und, ja, es ist KEIN EINSTEIGERGERÄT. Man kann sich hier voll den Ast absägen und dann muss man es aufschrauben und den internen "Reset Config" "Schalter" (ist nur ne Lötbrücke) festhalten und nochmal von vorne anfangen.

Wir bleiben also bei SwOs, das ist harmlos :-)
Dummerweise wird die Kiste aber immer mit RouterOS ausgeliefert, man muss sich zumindest soweit durchbeissen, bis man auf SwOs umschalten darf.

(bei der "Netzwerkinterpretation" ist das Teil etwas gewöhnungsbedürftig. So z.B. kommt es mit einer festen IP Adresse vorkonfiguriert, wenn man dann auf DHCP umschaltet, so holt er sich EINMAL eine neue Adresse ab, speichert die aber sofort als statische Adresse. Also spätere Adresswechsel bekommt er gar nicht mehr weg. Das kann schomal zu groben Irritationen führen. Auch IPV6 ist erstmal DEAKTIVIERT, man muss das, durchaus vorhandene, Modul erstmal aktivieren, nach einem Reboot geht dann alles auch mit V6)

Das Hauptkaufargument für mich war "lüfterlos", ich brauchte ein paar mehr 10G Anschlüsse hier oben in meiner Pruuutschhöhle unterm Dach. Da ging auch sofort, ich war glücklich (normale 10G Router rauben einem den Nerv, deshalb ist meiner in der Garage. Aber es gibt halt eine begrenzte Anzahl von direkten Leitungen bis zum Dach).

Das Glück hielt aber leider nicht lange  :'(
Nach so 1-2 Stunden schaltete sich das Uplink Port zur Garage einfach AB!  >:(
Dumm wie ich war, hab ich dann versucht am Kabel zu wackeln und hab mir die Finger verbrannt am Modul. Das Thermometer zeigte lockere 92° !!!
Die Module der Rechner oben auf dem Dachboden waren alles so um die 80°. Nichts, was man anfassen möchte, aber für den Switch noch "im grünen Bereich".
Nach viel Internetrecherche fand ich dann den Hinweis, dass die 10G Kupfermodule doch, je nach Kabellänge, recht heiß werden und man sie auf keinen Fall nebeneinander platzieren darf! So wurde dann aus dem 8port Switch ein 4Port mit der Bestückung wie oben gezeigt.
LWL Module kommen gerade mal so auf 40-50°, die sind also harmlos. Und mit 50° kann man schon bis zu 10km überwinden bei voller Geschwindigkeit.

Aber auch mit den Lücken zwischen den Ports hielt das Glück nicht ewig  :'(
Nach erneuten 3-4 Stunden war die Garage wieder deaktiviert und bettelte um Kühlung.

So steht nun vor dem "lüfterlosen" Switch ein 14cm PC Lüfter auf dem Tisch, seitdem ist Ruhe.


Solange die Temperatur unter 90° bleibt, ist er friedlich, mit Lüfter sind es auf den Kurzstrecken so 70°-72°, auf der Langstrecke 79°-80°. Also immer noch kein Bereich, wo man seine Finger haben möchte...

Im nächsten Jahr werde ich dann den innreren Schweinehund überwinden und ein 8adriges LWL Kabel durch die ganzen Decken und Seitendächer bis zur Garage hin neu verlegen. Das wird dann wieder ein paar neue Kernbohrungen erfordern, die vorkonfigurierten Kabel (mit Steckern dran) brauchen ein 32er Loch um durchzupassen (das Kabel selber hat nur 12mm). Die Fuckellei spare ich mir im Winter... denn danach reicht EINE Dusche nicht aus um den Dreck von 110 Jahren runterzukriegen...

Eigentlich ein Supergerät, auch kostengünstig (ach ja, die Module liegen so bei 30€ für LWL und 60€ für 10G Kupfer), aber "lüfterlos" ist irgendwie ne Werbelüge  :'(


Cypheros

Danke für den Erfahrungs-Bericht. Hatte auch schon mit dem Gedanken an 10 GBit gespielt.

Mam

Na dann noch als Ergänzung, der zusammenfasste Leidensbericht über 10G Netzwerkkarten  ;D

Es gibt da eigentlich nur 2 "Klassen" auf dem Markt, da sind einmal die INTEL Karten namens 5x0 und eine ganze Menge anderer Firmen, die sich allerdings alle des selben Aquantic Chips 107 (mal mehr, mal weniger, sind alles nur Variationen eines Themas) bedienen.

Intel Karten liegen >200€ , "die anderen" tummeln sich im Bereich um die 100€.

Also fangen wir mal mit den billigen an, wie gesagt, sie sind alle gleich und verwenden denselben Treiber. Und dieser Treiber ist... hüstel... gewöhnungsbedürftig  ;D
Bei den Unix/Linux Treibern kann man meistens nichts einstellen, da hilft nur Glauben (der aber häufig enttäuscht wird), beim Windows Treiber muss unbedingt Hand angelegt werden, denn mit den Normaleinstellungen sind die Karten nicht in der Lage eine halbwegs stabile Übertragung zu gewähren. Das sieht dann im Zeitdiagramm eher aus, wie ein Känguruh, das vor einem Steppenbrand flieht. Also kurze Schübe mit langen Pausen.
Grund dafür sind zwei "Features", die der Treiber versaubaselt:
a) "Flow Control": MUSS eingeschaltet sein, sonst geht fast gar nix. Dementsprechend muss das Feature auch in allen Switchen und auf der Gegenseite aktiviert sein, sonst blockt der Eine und der andere versteht nur Bahnhof. Das endet dann in Totalblockaden, wo man nur noch den Stecker ziehen kann.
b) "Receive Segment Coalesing" (gibts für V4 und V6) müssen beide DEAKTIVIERT sein! Eigentlich ein nettes Feature, die Karte sammelt Pakete, bildet daraus grössere und liefert diese dann auf einmal an den Hostrechner aus. Super! das schont Interrupts und CPU Zeit! Dummerweise vergisst die Karte dabei, die kleinen Pakete zu quittieren und der Absender wird irgendwann stutzig und fängt an sie zu wiederholen. Das schaukelt sich dann immer mehr auf und nach einiger Zeit macht das LAN nichts weiter mehr, als Wiederholungsversuche zu transportieren.

Also unbedingt weg damit!

So eingestellt läuft es recht sauber, aber die vollen 10G schaffen die Karten nur im Burst Modus für ein paar Sekunden.

Wer ein paar TB am Stück übertragen möchte, ist mit den Intel Karten deutlich besser beraten.

Intel:
Hier ist schon beim Kauf auch etwas Vorsicht walten zu lassen. Es gibt mehrere Versionen der Karten, die sich in der Bezeichnung wenig, bis kaum unterscheiden, aber technisch doch einen großen Unterschied haben.
Also unbedingt auf das Produktfoto achten! Die "alten" Karten haben einen PCie 2.0 8x Anschluß, die neuere einen PCie 3.0 4x Anschluß. Die sind natürlich geschwindigkeitsmässig gleich, aber viele Mobos haben gar keine 8x Slots mehr, so daß man u.U. auf seine geliebte Grafikkarte verzichten müsste um diese Netzwerkkarte betreiben zu können.
Also besser die 550er nehmen mit 4x PCIe 3.0 Anschluß!!!

Von den Karten gibt es auch Versionen mit einem und mit zwei Ports. Der Chip ist derselbe, nur der PHY Teil wurde bei den 1Port Karten weggelassen. Dementsprechend ist der Preisunterschied meist nicht sooo gewaltig, die 1Port Karten rechnen sich deshalb nicht wirklich.

Als Anschlüsse gibt es im Moment nur Kupfer. Es gibt zwar eine Version (540) mit 2 SFP+ Ports, aber die bislang nur in der veralterten 2.0/8x Variante. Schade eigentlich, denn der stabilste und billigste 10G Anschluß für kurze Distanzen ist im Moment "direct attach", das sind 2 SFP+Module fest verbunden über ein Kabel (meist LWL). Die kriegt man schon für 30€ (wohlgemerkt: ZWEI + KABEL!!!) und da gibts keine Wackelkontakte, lose Stecker usw...

Zum Treiber: Der ist ok, wenn auch mal wieder eine Ohrfeige für die Kunden. Derselbe Treiber liefert deutlich andere Features, je nachdem ob man ihn auf einem Windows Server oder einer schnöden Windows 10/11 Kiste installiert. Bei W10 ist alles ok, aber beim Server kann man noch zusätzlich Assistenten aufrufen, die die Karte für verschiedene Betriebsarten (Fileserver, HyperV VSwitch, ISCSI Sink usw.) optimiert. Und es gibt auch noch deutlich mehr Einstellungsmöglichkeiten unter Extras. Warum das bei W10 deaktiviert ist, weis nur Intel.
Aber im Prinzip kann man es dort manuell auch nachmachen, nur beim Server die einzelen Einstellungen der Details auslesen und auf W10 übertragen. (Natürlich nur die, die bei W10 auch angezeigt werden. Beim Rest guckt man in die Röhre)

Stromverbrauch: Wie schon beim Switch erwähnt: 10G Kupfer lässt die Leitung glühen. Die Karten haben nicht umsonst recht große Kühlkörper und man ist gut beraten, im PC Gehäuse auch einen Lüfter auf sie auszurichten (und wieder gilt: NICHT ANFASSEN! HEISS!!!)
Wie schon beim alten Fernschreiber basiert die Übertragung auf Stromschleifen. Die Spannung wird also solange hochgepusht, bis ein ausreichender Strom fliesst. Und das kämpft dann schon heftig  bei Kabellängen über 30m.

Ach ja, Performance: Intel Karten bringen unter Windows so um die 800Mb/s, unter Linux so um die 600Mb/s und unter FreeBSD so 990Mb/s (jaja, da sieht man, wer von wem abgeschrieben hat und bei Nichtverstehen des Codes ein paar Dummys eingefügt hat)

Wie immer ist Linux am unteren Ende der Nahrungskette, die kriegen Netzwerk wohl nie so richtig auf die Reihe.




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